Dezentrale Bereitstellung von PTFE-Schmierstoff in hochbelasteten Wälzkontakten
Thomas Reichenbach, Dr. Leonhard Mayrhofer, Dr. Gianpietro Moras, Prof. Dr. Michael Moseler
Der Festschmierstoff Polytetrafluorethylen (PTFE) wird häufig in niedrigbelasteten Wälzkontakten verwendet, wenn der Einsatz von konventionellen Flüssigschmierstoffen aufgrund von Betriebsbedingungen wie Vakuum oder hohen Temperaturen ausgeschlossen ist. Für die Anwendung in hochbelasteten Wälzkontakten hingegen ist die Festigkeit des PTFEs nicht mehr ausreichend, und eine Lebensdauerschmierung nicht mehr möglich. Um PTFE dennoch für solche Situationen nutzbar zu machen, kann dieses dezentral bereitgestellt werden und über einen Doppel-Transfer-Mechanismus kontinuierlich in den Kontakt transportiert werden. Eine mögliche Realisierung in Wälzlagern kann wie folgt aussehen: PTFE wird von einem PTFE-Opfer-Reservoir, z.B. dem Wälzkörperkäfig, bereitgestellt, auf die Wälzkörper übertragen (Transfer Nr. 1) und von dort aus weiter auf die Innen- und Außenringe transportiert (Transfer Nr. 2). Zur Optimierung dieser Art von PTFE-Schmierung ist ein detailliertes Verständnis der Reibungs-, Transfer- und Transportmechanismen von PTFE erforderlich. Im Rahmen des Schwerpunktprogramms »Fluidfreie Schmiersysteme mit hoher mechanischer Belastung« (SPP 2074) sind Forschende des MikroTribologie Centrums in Kooperation mit Stephan von Goeldel, Dr. Florian König und Prof. Dr. Georg Jacobs vom Institut für Maschinenelemente und Systementwicklung der RWTH Aachen den bislang unverstandenen wissenschaftlichen Fragestellungen nachgegangen.
In den Experimenten der RWTH Aachen wurde dafür ein Kugel-Scheibe Tribometer um einen PTFE Stift erweitert, der als PTFE Reservoir dient und die PTFE Nachschmierung realisiert. Ein schematischer Aufbau ist in Abbildung 1 gezeigt. Im Kugel-Scheibe Wälzkontakt kann die Reibung und die PTFE Filmdicke in-situ mittels Weißlichtinterferometrie gemessen werden. Die Experimente zeigen, dass die PTFE Filmdicke im Wälzkontakt direkt durch die Anpresskraft des Stifts gesteuert werden kann. Die Filmdicke wiederum ist direkt korreliert mit dem Reibkoeffizient im Wälzkontakt.
Um die beobachtete Transferfilmbildung und die Reibmechanismen zu verstehen hat das Team vom Fraunhofer IWM ein neues Dichtefunktionaltheorie-basiertes nicht-reaktives Kraftfeld entwickelt, welches großskalige Molekulardynamik-Reibsimulation von PTFE in Kontakt mit Eisenoxid, welches typischerweise auf den Stahloberflächen vorliegt, erlaubt. Die Simulationen zeigen, dass die PTFE-Eisenoxid Adhäsion stets größer ist als die PTFE-Kohäsion. Dieses »Kleben« des PTFEs auf Eisenoxid-Oberflächen ermöglicht den Transfer vom PTFE-Pin auf die Scheibe und den Transfer von der Scheibe auf die Kugel (siehe Abbildung 1). Weiterhin kann in den Simulationen beobachtet werden, dass Scherung strukturelle Änderungen innerhalb des PTFEs hervorruft und die einzelnen Moleküle entlang der Scherrichtung ausrichtet. Je ausgerichteter die Moleküle desto geringer die Reibung. In Übereinstimmung mit den Experimenten ergibt sich außerdem, dass eine größere PTFE Filmdicke zu einer kleineren Reibung führt. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass die Scherung innerhalb des PTFEs annährend gleichmäßig verteilt ist und somit die lokalen Scherraten mit steigender Filmdicke abnehmen.
Diese detaillierten Ergebnisse können in der folgenden, kürzlich erschienenen Open-Access Publikation nachgelesen werden:
von Goeldel, S.; Reichenbach, T.; König, F.; Mayrhofer, L.; Moras, G.; Jacobs, G.; Moseler, M., A combined experimental and atomistic investigation of PTFE double transfer film formation and lubrication in rolling point contacts, Tribology Letters 69/4 (2021) Art. 136, 16 Seiten Link