Erweitertes Verständnis geschmierter Diamant-Metall-Tribokontakte durch Kombination atomistischer Simulationen und experimenteller Tribologie
Hochbelastete metallische Tribokontakte können hinsichtlich Verschleiß und Reibung durch den Einschluss kleiner Diamantteilchen in die Metallmatrix erheblich verbessert werden. Dies betrifft vor allem den Bereich der Grenzreibung. Technologisch wird das ausgezeichnete tribologische Verhalten von Metall/Diamant-Systemen beispielsweise in Kolbenringen für Dieselmotoren ausgenutzt. Obwohl diamantverstärkte Metalloberflächen also bereits industriell genutzt werden, sind die zugrundeliegenden Mechanismen bisher nur wenig verstanden. So ist nicht klar, ob eine Amorphisierung der Diamantoberfläche oder etwa die Bildung von Carbiden für die niedrige Reibung verantwortlich sein könnten. Von besonderem Interesse gerade auch mit Blick auf das weitere Optimierungspotenzial ist die Rolle von Schmierstoffen im Grenzreibungsfall. Sind die Schmierstoffmoleküle chemisch völlig inert oder führen tribochemische Reaktionen zur Bildung eines Tribofilms?
In einer kürzlich fertiggestellten Arbeit am µTC wurde diese Fragestellung mit Hilfe atomistischer Simulationsmethoden, tribologischer Experimente und Oberflächenanalytik angegangen. Als vereinfachtes Modellsystem wurde ein mit Hexadekan geschmiertes Wolfram/Diamant-Tribopaar untersucht. Reaktive klassische Molekulardynamiksimulationen des tribologischen Prozesses zeigten unter hohen lokalen Kontaktdrücken die Bildung von Alkanradikalen an der metallischen Wolframoberfläche. Die Alkanradikale wiederum vermochten daraufhin auf der in der Simulation eigentlich chemisch stabilen, da mit Wasserstoff abgesättigten Diamantoberfläche Bindungsplätze zu erzeugen und schließlich chemisch auf der Diamantoberfläche anzubinden. Dadurch wurde die Diamantoberfläche durch einen aus degradierten Schmierstoffmolekülen bestehenden Tribofilm überzogen. Einhergehend mit der Erzeugung des Passivierungsfilms war eine starke Reibreduktion mit Reibwerten von ca. 0.05. Die klassischen Molekulardynamiksimulationen wurden mit quantenchemischen Dichtefunktionaltheorierechnungen (DFT) überprüft und bestätigt. Mit zunehmender Druckbelastung wurde die Alkanradikalbildung auf metallischem Wolfram in den DFT-Simulationen deutlich begünstigt. Bei genügend hohen Drücken erfolgt Wasserstofftransfer von den Alkanmolekülen auf die Metalloberfläche sogar instantan, d.h. ohne Aktivierungsbarriere. Ebenso konnte der Anbindungsmechanismus von Alkanradikalen auf der Diamantoberfläche nachvollzogen werden. Neben metallischen Oberflächen spielen in technischen Anwendungen vor allem auch oxidierte Oberflächen eine entscheidende Rolle. Letztere können mit klassischen Molekulardynamiksimulationen nur unzureichend beschrieben werden, während die DFT-Methode gut zur Modellierung von Oxiden geeignet ist. Auch im Fall von Oxidoberflächen wurde die druckinduzierte Radikalbildung abhängig von der Oberflächenterminierung gefunden. Neben der Wasserstoffabstraktion kam es hierbei zusätzlich zu Additionsreaktionen sauerstoffhaltiger funktioneller Gruppen und zur chemischen Anbindung der Kohlenwasserstoffmoleküle an die Oxidoberfläche. Der aus den Simulationsergebnissen abgeleitete Passivierungs- und Reibreduktionsmechanismus des hochbelasteten geschmierten Wolfram/Diamant-Systems wurde in den Triboexperimenten weiter erhärtet. So wurde auch experimentell nach extrem kurzer Einlaufzeit ein sehr kleiner Reibwert von ca. 0.04 gemessen und sowohl auf der Diamant- als auch auf der oxidierten Wolframoberfläche wurde in anschließenden oberflächenanalytischen Messungen die Bildung eines kohlenstoffreichen und sauerstoffhaltigen Tribofilms nachgewiesen, während keine Hinweise auf eine Wolframcarbidbildung gefunden werden konnten.
Unsere Untersuchung deutet insgesamt daraufhin, dass die Bildung eines aus degradierten Schmierstoffmolekülen bestehenden Passivierungsfilms die Metalloberfläche von der Diamantoberfläche chemisch äußerst effektiv trennt, so dass ein Kaltverschweißen und damit hohe Reibwerte unterbunden werden. Hierbei ist für die Bildung des Schutzfilms die Radikalisierung der Schmierstoffmoleküle an chemisch zunächst reaktiven Oberflächen von zentraler Bedeutung. Eine Zusammenfassung dieser Arbeit wird in Kürze in der Zeitschrift „Frontiers in Mechanical Engineering“ erscheinen.