Mechanismen der Graphitschmierung unter hoher mechanischer Belastung
Carina E. Morstein
Festschmierstoffe kommen in tribologischen Systemen zur Anwendung, bei welchen konventionelle Flüssigschmierstoffe an ihre Grenzen kommen. Vor allem unter hoher mechanischer Belastung, bei hohen Temperaturen oder im Vakuum weisen sie eine deutlich bessere Schmierwirkung und Stabilität auf als flüssige Schmierstoffe. Ein vielseitig verwendeter Schmierstoff ist hierbei Graphit. Aufgrund des lamellaren Aufbaus aus einzelnen Graphenlagen wird bis heute das sogenannte „deck-of-cards-Modell“ verwendet, um seine guten Schmiereigenschaften zu begründen. Diesem Modell liegt die Argumentation zugrunde, dass die einzelnen Graphenlagen unter Scherspannung wie ein Kartendeck voneinander abgleiten können und dadurch niedrige Reibwerte erzielt werden können. Dieses Modell kann allerdings nicht alle experimentellen Ergebnisse erklären, z.B. die guten Schmiereigenschaften von einzelnen Monolagen Graphen. Es ist des Weiteren bekannt, dass die Schmierwirkung von Graphit stark abhängig von der umgebenden Luftfeuchtigkeit ist: Im Vakuum werden sehr hohe Verschleiß- und Reibwerte gemessen, erst ab einer gewissen Luftfeuchtigkeit kann eine gute Schmierwirkung beobachtet werden. Der zugrundeliegende Mechanismus für diese Beobachtung ist aber immer noch unbekannt.
Im Rahmen des DFG Schwerpunktprojektes SPP2074 »Fluidfreie Schmiersysteme unter hoher mechanischer Belastung« wird diesen offenen Fragen nachgegangen. Das IAM-CMS und das IPEK des KIT sowie das Fraunhofer IWM MikroTribologie Centrum erforschen in Kollaboration die Mechanismen der Graphitschmierung in hochbelasteten Axialwälzlagern. Am IAM-CMS werden hierfür Laborexperimente auf Mikroebene durchgeführt, um die Schmiermechanismen von Graphit zu untersuchen und eine Datengrundlage für Simulationen bilden zu können. Hierfür werden mit Graphit beschichtete Eisenoberflächen in Reibversuchen belastet.
Im bisherigen Projektverlauf wurden die graphitbeschichteten Eisenproben in einem Mikrotribometer mit linearer Bewegung untersucht. Hierbei wurde mit einer 100Cr6 Kugel reversierend über die Probe verfahren und die Reibspuren anschließend mittels Konfokalmikroskopie, RAMAN Spektroskopie, Röntgenphotoelektronenspektroskopie und (Transmissions-) Elektronenmikroskopie untersucht. Um die zu Grunde liegenden Mechanismen genauer zu verstehen, wurden wichtige Einflussparameter variiert, u.a. die Graphitschichtdicke, Normalkraft, Rauheit des Substrates sowie die Luftfeuchtigkeit innerhalb des experimentellen Aufbaus. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend in FEM- und atomistischen Simulationen des IPEK bzw. des Fraunhofer IWM MikroTribologie Centrums implementiert. Durch den ständigen Austausch zwischen den Instituten können somit die Ergebnisse aus Experiment und Simulation für die gegenseitige Validierung und Optimierung verwendet werden. Im weiteren Verlauf des Projektes wird u.a. ein Holographie-Tribometer verwendet, um die Schmiereigenschaften von Graphit unter Rollreibung zu untersuchen und in situ die Entwicklung der Probenoberfläche beobachten zu können.