Wenige Atome bestimmen, ob Kraftwerke störungsfrei laufen oder Fahrzeuge energieeffizient unterwegs sind. Eine virtuelle Materialsonde macht tribologische Prozesse auf atomarer Skala sichtbar – und somit steuerbar. Für diese Entwicklung erhält ein Forscherteam des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM den Wissenschaftspreis des Stifterverbandes 2022.
Reibung und Verschleiß sind in mechanischen Bauteilen allgegenwärtig. In Gleitringdichtungen für Pumpen oder Kompressoren setzt man daher auf Diamantbeschichtungen: Das kristalline Material schützt die Komponenten, die gegeneinander reiben, lässt sie gut aufeinander gleiten und sorgt somit für eine hohe Lebensdauer. Allerdings kann es zu starken Reibwertschwankungen kommen, in seltenen Fällen sogar zum Ausfall der Anlagen, was Schäden in Millionenhöhe hervorrufen kann. Bislang war jedoch weder bekannt, wodurch solch hohe Reibwerte entstehen, noch welche Voraussetzungen es braucht, um die Reibung konstant auf niedrigem Niveau zu halten.
Ein Forscherteam hat dem Mysterium Diamantreibung nun seine Geheimnisse entlockt: Mit einer virtuellen Materialsonde, die Simulationen auf mehreren Größenskalen mit realen Experimenten kombiniert und während des Gleitens quasi in den Reibspalt hineinsehen kann – was weltweit einzigartig ist. Für die Entwicklung dieser Sonde erhielten Prof. Dr. Michael Moseler und Prof. Dr. Matthias Scherge am 19. Mai 2022 den Wissenschaftspreis des Stifterverbandes 2022. Als Dritter im Bunde wurde Dr.-Ing. habil. Joachim Otschik von der EagleBurgmann Germany GmbH & Co. ausgezeichnet. Insbesondere die langjährige gemeinsame Forschungsarbeit des Trios, die die Entwicklung der Sonde begleitete und zum Verständnis der Reibungsphänomene in den Gleitringdichtungen führte, überzeugte die Jury.