Graphenähnliche Kohlenstoffnitrid-Tribofilme induzieren superniedrige Reibung von Glycerin-geschmiertem Siliziumnitrid

© Fraunhofer IWM
Abb. 1: Tribochemische Zersetzung von Glycerin in einem tribologischen Kontakt zwischen Siliziumnitridoberflächen führt zur Bildung von aromatischen CN-Oberflächenstrukturen. Gelb: Silizium; Blau: Stickstoff; Rot: Sauerstoff; Grau: Kohlenstoff; Weiß: Wasserstoff.

Dr. Takuya Kuwahara, Dr. Gianpietro Moras, Prof. Dr. Michael Moseler

Das Ziel: Supraschmierung von Keramikbeschichtungen mit Bioschmierstoffen

Die Schmierung von Keramik- und diamantähnlichen Kohlenstoffbeschichtungen (DLC) mit Bioschmierstoffen stellt eine nachhaltige Alternative zu traditionellen metallischen Systemen dar, die mit biologisch nicht abbaubaren Mineralölen in Kombination mit toxischen traditionellen Additiven wie Zinkdialkyldithiophosphat geschmiert werden. Das Erreichen der Supraschmierung (d.h. Reibungskoeffizient μ < 0,01) in solchen »grünen« Schmiersystemen ist von technologischer Bedeutung für die Reduktion von Energieverlusten und Materialverbrauch sowie für die Minimierung der Umweltbelastung.
Bisher wurde Supraschmierung von wassergeschmiertem Siliziumnitrid nur bei hohen Gleitgeschwindigkeiten erreicht und auf die drastische Abnahme des lokalen Kontaktdrucks durch Oberflächenglättung und die Bildung dicker hydrodynamischer Filme auf hydrophilen Siliziumdioxid-Tribolagen zurückgeführt. Bei hohen normalen Lasten oder niedrigen Geschwindigkeiten (bei denen Kontakte zwischen Rauheitshügeln vorherrschen) stieg die Reibung aufgrund des Zusammenbruchs der hydrodynamischen Schmierung jedoch deutlich an. In diesen Grenzschmierungsbedingungen wurden saure Mischungen von Wasser mit Glyzerin als potenzielle Schmiermittel zur Erzielung der Supraschmierung in tribologischen Kontakten aus Siliziumnitrid angegeben. In diesem Fall wurde vorgeschlagen, dass die Protonierung von Siliziumdioxid-Oberflächen und die Bildung von wasserstoffgebundenen Glycerin-Wasser-Netzwerken auf dem positiv geladenen Siliziumdioxid für die superniedrige Reibung verantwortlich sind. Da moderne Keramiklager jedoch zusätzliche Konstruktionselemente aus Stahl enthalten, die ebenfalls mit dem Schmierstoff in Kontakt stehen, können tribochemische Reaktionen mit sauren Schmierstoffen zu einem vorzeitigen Ausfall der Maschinen führen, weshalb nicht-saure Schmierstofflösungen auf Wasserbasis vorzuziehen sind.

Die Inspiration: Supraschmierung durch aromatische kohlenstoffhaltige Triboschichten

Ein alternativer Weg zur Erzielung von Supraschmierung unter Grenzreibungsbedingungen ist die in-situ-Synthese von supraschmierenden kohlenstoffhaltigen Triboschichten, die weder hydrodynamische noch nanoskopische Schmierfilme zwischen den Oberflächen erfordern. Diese Tribolagen können sich durch scherinduzierte Strukturmodifikationen und Reaktionen von Schmierstoffen mit festen Oberflächen bilden. Beide Prozesse werden bei tetraedrischen amorphen Kohlenstoff- (ta-C) und nanokristallinen Diamantoberflächen in der Grenzreibung beobachtet. In diesen Materialien kann ultra- und super-niedrige Reibung entweder durch eine dichte Oberflächenpassivierung mit Wasserstoff und Hydroxylgruppen (die von Schmiermitteln stammen) oder durch eine aromatische Oberflächenpassivierung aufgrund delokalisierter π-gebundener Strukturen erreicht werden. Wie Graphit sind aromatische Triboschichten selbstschmierend und erhöhen die Lasttragfähigkeit tribologischer Kontakte. Über solche kohlenstoffhaltige Triboschichten wurde jedoch ausschließlich im Zusammenhang mit harten Kohlenstoffschichten berichtet, und es ist überhaupt nicht klar, ob sie sich auf Si3N4-Oberflächen bilden können.

© Fraunhofer IWM
Abb. 2: Stickstoffatome (blau) erleichtern die scherinduzierte Bildung aromatischer Oberflächenstrukturen (rot) auf Tribofilmen aus amorphem Kohlenstoff (grau).

Der Durchbruch: grüne Supraschmierung von Si3N4 durch graphenartige Kohlenstoffnitrid-Tribofilme

Experimentelle Tribologen des »Laboratoire de Tribologie et Dynamique des Systémes« (LTDS am École Centrale de Lyon) und theoretische Tribologen der Gruppe »Multiskalenmodellierung und Tribosimulation« am Fraunhofer IWM MikroTribologie Centrum haben sich zusammengeschlossen, um zu zeigen, dass die in-situ-Bildung von subnanometerdicken Graphennitriden bei Grenzschmierung mit Glycerin über einen weiten Temperaturbereich zur Superschmierung von selbstgepaartem Si3N4 führt [1].

Eine Kombination aus modernen Oberflächenanalysen (Röntgen-Photoelektronenspektroskopie und Flugzeit-Sekundärionen-Massenspektrometrie), Schmierstoff-Isotopenmarkierung und hochauflösender Massenspektrometrie des gebrauchten Schmierstoffs zeigt, dass tribochemische Reaktionen von Glycerinmolekülen auf den Si3N4-Oberflächen nanometerdicke Tribofilme erzeugen, die aus in Ringstrukturen organisierten C-N-Bindungen bestehen. Quantenmechanische Simulationen deuten darauf hin, dass tribochemische Reaktionen von Glycerin mit Si3N4 bevorzugt zwei getrennte Phasen bilden: amorphes Siliziumoxid und Kohlenstoffnitride (Abbildung 1). Siliziumoxid-/Hydroxidfilme werden wahrscheinlich durch Scherung von der Kontaktfläche entfernt, während Kohlenstoffnitride durch Scherung induzierte Phasenübergänge durchlaufen, die 2D-Graphen-Nitrid-artige Tribolagen erzeugen (Abbildung 2).

Diese Erkenntnisse ebnen den Weg für die Nutzung der tribochemischen Synthese von graphenähnlichen Strukturen auf Keramiken auf Siliziumbasis, um grüne Superschmierfähigkeit zu erreichen. Darüber hinaus regen sie weitere Forschungen an, um den Einsatz anderer Bioschmierstoffe und die Schmierungsbedingungen zu untersuchen, die die Struktur der aromatischen Tribolagen und ihre Bildung an anderen Keramikgrenzflächen (z.B. trockene Si3N4/DLC-Grenzflächen) steuerbar machen.

Förderung und Rechenzeit

Diese Forschung wurde gefördert durch das BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) im Rahmen des Projektes Poseidon II, die Agence Nationale de la Recherche (ANR), das TOTAL Research Centre Solaize, das österreichische COMET-Programm (K2-Projekt InTribologie, Nr. 872176). Die Rechenzeit wurde vom John von Neumann-Institut für Computing (NIC) bewilligt und auf dem Supercomputer JUWELS am Jülich Supercomputing Centre (JSC) im Rahmen des Projekts HFR09 zur Verfügung gestellt. Weitere Rechenzeit wurde vom Land Baden-Württemberg über das bwHPC und die DFG zur Verfügung gestellt (Bewilligungsnummer INST 39/963-1 FUGG, bwForCluster NEMO).

 

[1] Long, Y.; Kuwahara, T.; De Barros Bouchet, M.-I.; Ristić, A.; Dörr, N.; Lubrecht, T.; Dupuy, L.; Moras, G.; Martin, J. M.; Moseler, M., In situ synthesis of graphene nitride nanolayers on glycerol-lubricated Si3N4 for superlubricity applications, ACS Applied Nano Materials (2021) Link

 

nach oben