Multiskalige Reibungssimulation von trockenen Polymerkontakten: Erreichen experimenteller Längenskalen durch Kopplung von Molekulardynamik und Kontaktmechanik

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Abb. 1: Molekulardynamiksimulation einer Paarung zweier amorpher PEEK-Oberflächen. Das Tribosystem wird unter einen Normaldruck P gesetzt und mit einer Geschwindigkeit U geschert, während die beiden Außenflächen auf einer Temperatur T gehalten werden.

J. Hamann, Prof. Dr. M. Dienwiebel, Prof. Dr. M. Moseler

Aufgrund vorteilhafter Eigenschaften wie geringe Reibung, Korrosionsbeständigkeit, Biokompatibilität und Kosteneffizienz werden Polymere heutzutage zunehmend in tribologischen Anwendungen eingesetzt. In diesem Rahmen ist das Verständnis und die Quantifizierung von Reibungsprozessen in Polymergrenzflächen von grundlegender Bedeutung, um ihren Anwendungsbereich zu optimieren und ihre Lebensdauer zu verbessern.

Die numerische Modellierung der Polymerreibung ist nach wie vor ein anspruchsvolles Thema, da mehrere Faktoren wie Adhäsion, viskoelastische und thermische Effekte sowie plastische Prozesse und Pflügen berücksichtigt werden müssen. Eine alternative Methode, um Einblicke in das tribologische Verhalten von Polymergrenzflächen zu erhalten, bieten atomistische Simulationen, wie z. B. die Molekulardynamik (MD). Trotz ihrer umfangreichen Einblicke, bleiben diese rechenintensive Werkzeuge, welche auf Längen- und Zeitskalen beschränkt sind, die um Größenordnungen von Experimenten und typischen Anwendungen entfernt sind.

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Abb. 2: Scherspannung als Funktion des Gleitwegs für eine trockene (schwarze Linie) und eine wassergeschmierte (blaue Linie) Tribopaarung (P=100MPa, U=100m/s, T=300K, 10.4 nH2O/nm²). Die beiden Insets zeigen die Umverteilung des Wassers während des Gleitens.

Dieses Problem wird in dem Artikel »Multiscale friction simulation of dry polymer contacts: reaching experimental length scales by coupling molecular dynamics and contact mechanics« durch die Entwicklung und Erprobung eines Multiskalenansatzes für einfache Polymergrenzflächen am Beispiel Poly-Ether-Ether-Keton (PEEK) erläutert.

Zunächst wird eine unberührte PEEK-PEEK-Grenzfläche modelliert und anschließend Wasser hinzugefügt, um die Wirkung physisorbierter Flüssigkeiten zu analysieren. Ebenso wird eine parametrische Studie zu den Belastungsbedingungen durchgeführt, um die Übertragbarkeit der MD-Reibungsergebnisse auf größere Skalen zu beurteilen. Um die Bereiche zwischen Atomistik und Kontinuum zu überbrücken und den Reibungskoeffizienten in einem makroskopischen System abzuschätzen, werden die MD-Ergebnisse in Kontaktmechaniksimulationen integriert. Schließlich werden Tribometerexperimente durchgeführt, um die Ergebnisse des Multiskalenansatzes zu vergleichen und zu diskutieren. Es kann eine erstaunlich gute Übereinstimmung zwischen Multiskalensimulation und Experiment festgestellt werden. Hierbei kommt es zu zwei verschiedenen Reibregimen: hohe Reibung und deutlicher Verschleiß im trockenen Kontakt und niedrige Reibung schon bei geringen Mengen an Grenzflächenwasser.

 

Die Arbeit ist jüngst bei Tribology Letters veröffentlicht worden:

Savio, D.; Hamann, J.; Romero, P. A.; Klingshirn, C.; Bactavatchalou,R.; Dienwiebel, M.; Moseler, M., Multiscale friction simulation of dry polymer contacts: Reaching experimental length scales by coupling molecular dynamics and contact mechanics, Tribology Letters 69/2 (2021) Art. 70, 16 Seiten Link

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