Interview mit Prof. Moseler und Prof. Scherge: Tribologie als Hebel für energieeffiziente und funktionale Systeme
25.06.2024

Welchen Stellenwert hat die Tribologie aktuell in der Wertschöpfung?
Scherge: Die Vokabeln »Tribologie« sowie »Reibung« oder »Verschleiß« verstecken sich zunehmend in der Entwicklung und Verbesserung von gesamten Systemen. Für uns heißt das, dass sich unsere tribologische Forschung neu definieren und positionieren muss, und zwar in einem größeren Kontext. Wo bislang unsere Fachkenntnisse für punktuelle Lösungen zu Rate gezogen wurden, rücken in einer zunehmend holistischen Herangehensweise tribologische Fragestellungen als Teillösung in den Vordergrund.
Moseler: Das Wichtigste ist, den Wandel als Chance zu begreifen. Wir werden mit marktnaher Forschung demonstrieren, wie die tribologische Forschung als zentraler Hebel die Funktion und die Energieeffizienz von Maschinen und Antrieben verbessert. Uns treibt, fortwährend neue Herausforderungen zu lokalisieren. Die kreative Reibung in unseren Kundengesprächen setzt hier eine enorme wertschöpfende Energie frei.
Bergen solche Entwicklungen Risiken oder Chancen für das Feld Tribologie?
Moseler: In unserem Forschungsalltag am MikroTribologie Centrum µTC gelingt uns nach wie vor der kunstvolle Spagat zwischen Kundennähe und hohem akademischen Anspruch. Diese Stärke erst macht es uns möglich, so viele Kooperationen mit Unternehmen einzugehen, die nicht nur von unserer Expertise profitieren, sondern auch für unsere Forschung neue Felder erschließen lässt.
Es liegt also ein unausgeschöpftes Potential im Zeitenwandel?
Scherge: Absolut. »Umweltverträglichkeit« ist ein großes Stichwort, das uns umtreibt. Wir sind dazu angehalten, Lösungen zur Nachhaltigkeit und Energieeffizienz zu leisten. Ende 2023 wurde zum Beispiel ein handliches Messgerät zur Detektion von schädlichen PFAS-Verbindungen mit dem Lothar Späth-Award ausgezeichnet, welches in einer Entwicklungskooperation zwischen dem MikroTribologie Centrum μTC und der Kompass GmbH entstand. Auch hinsichtlich der Fragen, die mit dem Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur aufkommen, sind Expertisen aus dem Bereich der Tribologie unabdingbar. Unsere Lösungsansätze zur Reibungsminderung und dem Verschleißschutz für Lager, Dichtungen und Antriebssysteme zahlen ein in der Sicherheit von Systemen, die mit Wasserstoff betrieben werden.
Moseler: Zusätzlich zeigt unsere Forschung im Bereich der superniedrigen Reibung, der sogenannten Supraschmierung, dass wir einen richtigen Weg zur Energieeffizienz eingeschlagen haben, und das mit großem Erfolg. Die Supraschmierung ist der Schlüssel schlechthin, um technische Systeme effizienter zu gestalten.
Das gesamte Interview, gemeinsam mit mehreren Fachbeiträgen, ist im Jahresbericht des Fraunhofer IWM zu lesen.