Das kratzt mich nicht!

29.02.2024

© Fraunhofer IWM
Abb.: Beispiel eines Scratch Tests. Oben gezeigt ist die Lichtmikroskopaufnahme des Scratches, darunter die gemessene Eindringtiefe (blau) und die Querkraft (magenta).

Alexander Fromm

Funktionale und tribologische Beschichtungen müssen i.d.R. eine Vielzahl von Anforderungen erfüllen, wie z.B. Überrollfestigkeit, Korrosionsstabilität, Temperaturwechsellastbeständigkeit, etc. Grundvoraussetzung dafür ist immer eine gute Anbindung der Schicht zum Substrat, i.e. eine gute Schichthaftung. Diese jedoch in einem industrietauglichen Verfahren zu charakterisieren und zu bewerten ist nicht immer trivial. Gängige Prüfungen wie Kugeleindruck, Kreuzschnittverfahren oder Scotch-Tape-Test haben alle ihre Daseinsberechtigung, aber gerade bei dünnen Schichten auch ihre Schwächen.

Der neue Nano Scratch Tester, wie er am MikroTribologie Centrum µTC seit wenigen Monaten zur Verfügung steht, eignet sich auf Grund seiner feinen Kraft- und Tiefenauflösung hervorragend, um eine Schichtentwicklung zu begleiten und die Wirkung verschiedener Vorbehandlungsmethoden auf Schichthaftung und spätere Schichtperformance vergleichend bewerten zu können. Dazu wird mit einer Diamantspitze mit einem typischen Radius von 5 µm linear über die zu prüfende Schichtoberfläche geritzt und dabei die Last ebenfalls linear bis zu einer Maximalkraft von bis zu 1000 mN erhöht. Für sehr dünne Schichten steht nun auch ein High-Sensitivity-Mode von 1 mN – 10 mN zur Verfügung. Dabei können mit nm-Auflösung die Eindringtiefe, die verbleibende Eindringtiefe, die Querkraft (~Reibwert) und mit dem Ritzbild synchronisierte, lichtmikroskopische Analysen herangezogen werden, um jeweils schichtspezifische, kritische Kräfte zu definieren. 

Dazu werden Schichtschädigungen wie Einbrüche und Delaminationen, beginnende Rissbildung aber auch abrupte Anstiege im Querkraftsignal herangezogen. Damit kann der Einfluss von Reinigungsverfahren auf die Schichthaftung ebenso untersucht werden, wie eine Alterung der Schicht, z.B. nach einer Auslagerung, und die damit verbundenen Änderungen der Schicht. Zusätzliche elektronenmikroskopische Analysen und begleitende FE-Simulationen erlauben weitergehende Interpretationen zum Versagensmechanismus wie Kohäsivversagen vs. Adhäsivversagen o.ä. Dabei bringt das MikroTribologie Centrum µTC seine gesamte Erfahrung zu Beschichtungsverfahren, Materialverhalten und Bruchmechanik mit ein.

Bei besonders dicken Schichten oder Schichten mit bereits sehr guter Haftung und Beständigkeit kann am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM darüber hinaus zur Steigerung der Selektivität ein Scanning Scratch Test durchgeführt werden, bei dem der Ritznadel eine zusätzliche, laterale Schwingung überlagert wird. Dies verlängert den Ritzweg und steigert die Auflösung der Methode.

Der Scratch Test wird am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM nicht nur begleitend für eigene Schichtentwicklungen angewendet, die Gruppe »Tribologische und funktionale Schichtsysteme« bietet dies bereits seit vielen Jahren auch für Industriekunden als Dienstleistung an. Für z.B. Qualitätssicherungsmaßnahmen ist die Methode hervorragend geeignet. Sie ist bereits für mehrere Anwendungen in der Praxis erprobt und wird bei Kooperationspartnern für Ausgangskontrollen ihrer Produkte eingesetzt. 

 

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